"Von einem Nachgeben der Preise kann man nicht ausgehen", Marco Schank au sujet de la situation sur le marché du logement

Nicolas Anen: Seit Juli gelten neue Anforderungen bezüglich der Energieklassen bei Neubauwohnungen.

Marco Schank: Tatsächlich sind seit dem 1. Juli beim Wärmeschutz die Klasse C und bei der Gesamtenergiebilanz die Klasse B erforderlich. Dies ist im Grunde genommen noch nicht großartig ambitiös, denn öffentlich rechtliche Bauträger wie der Fonds du logement, die SNHBM ("Société nationale des habitations à bon marché") oder Gemeinden mussten bereits vorher Wohnungen der Klasse B errichten, um in den Genuss staatlicher Subventionen zu kommen. Sie müssen nun seit dem 1. Juli Wohnungen der Gesamtklasse A und der Wärmeschutzklasse B errichten. Unsere Wärmeschutzverordnung wird phasenweise strenger werden, sodass wir im Jahre 2018 den Standard der Passivhäuser, also A+Häuser, erreichen.

Nicolas Anen: Riskiert dies nicht, die Preise weiter in die Höhe zu treiben?

Marco Schank: Ich denke nicht. Es kaufen heute schon sehr viele Menschen ihre Wohnungen in den Gesamtenergieklassen A oder B. Dies nicht unbedingt aus Gründen des Klimaschutzes, sondern wegen ihres eigenen Geldbeutels. Wer ein A-Haus baut, benötigt fast keine Heizenergie mehr. Da spart man entsprechend viel Geld. Auch gibt der Staat heute noch relativ hohe Beihilfen bei A oder B-Klasse-Neubauten. Für Niedrigenergiehäuser können es bis zu 15000 Euro sein, bei einem Passiv-Haus sogar bis zu 40 000 Euro. Auch für eine energetische Sanierung kann die Staatshilfe bis zu 30.000 Euro erreichen. Es genügt heute nicht mehr, auf den Verkaufspreis oder den Mietpreis zu achten, sondern es ist ratsam, auch die zukünftigen Heizkosten zu betrachten. Die Sensibilität für das Thema Energieeffizienz ist sehr groß. Junge Familien kaufen eigentlich nichts anderes mehr. Aber auch viele private Promotoren, jedenfalls die großen, bieten jetzt schon die B-Klasse als Standard mit Option auf eine A-Klasse an.

Nicolas Anen: Es soll aber nicht bei der B-Klasse bleiben, 2018 soll nur noch der Bau von Passivhäusern genehmigt werden. Wird der Markt dafür bereit sein?

Marco Schank: Der Bausektor, vertreten durch die Handwerkskammer und den Handwerkerverband, haben die Regierung befragt, wie sie zu verfahren gedenke, damit sie auch dementsprechend aufgestellt sei. Und sie begrüßten es, Klarheit zu erhalten. Ich bin auch sicher, dass ein Großteil der Betriebe sich jetzt schon entsprechend vorbereitet hat.

Nicolas Anen: Die entsprechende europäische Richtlinie ermöglicht es, den Bau von Passivhäusern erst ab 2021 vorzuschreiben. Warum wird dies schon ab 2018 in Luxemburg obligatorisch sein?

Marco Schank: Wir haben uns dazu entschlossen, damit sich die Menschen heute schon Gedanken machen über diese für die Zukunft wichtige Thematik. Wenn man baut, ist das nicht für zwei, drei oder sogar zehn Jahre, sondern für eine Generation, vielleicht sogar mehr. Ein weiterer Grund sind die hohen Heizkosten. Auf Heizöl- und Gaspreise haben wir keinen Einfluss, wohl aber auf unsere Bauweise. Außerdem kompensieren die hohen finanziellen Hilfen, die es für solche Bauten gibt, den Aufpreis für die Energieeffizienz. Es sei denn, man baut eine Villa von 500 Quadratmetern Wohnfläche. Das ist übrigens ein anderes Problem, das Luxemburg kennzeichnet: Wir leben in gewissem Sinne auf großem Fuß, weil wir große Häuser besitzen. Laut Statistik hatte 2010 eine Wohnung in Luxemburg eine Fläche von 190 Quadratmetern. In Deutschland waren es 116 Quadratmeter, in Belgien 105 und in Frankreich 99. Dazu gesellt sich die hohe Eigentümerquote von 70 Prozent, eine Tatsache, die man betrachten muss, wenn wir über hohe Preise sprechen.

Nicolas Anen: Die Preisproblematik besteht schon seit längerer Zeit. Hat die Politik denn überhaupt die nötigen Mittel, um auf dem Wohnungsmarkt eingreifen zu können?

Marco Schank: Der Wohnungsbauminister hat keine direkte Möglichkeit, auf die Preise einzuwirken. Wir haben in Luxemburg eine ganz spezifische Situation. Wir sind das Land der EU, das in Sachen Bevölkerungsentwicklung am schnellsten wächst. 2011 ist unsere Bevölkerung um 13 000 Menschen gewachsen, das sind rund zwei Prozent, das ist enorm. In den letzten 20 Jahren ist unsere Bevölkerung um 132 500 Einwohner gestiegen. Das bedeutet einen Zuwachs von 35 Prozent. Und diese Entwicklung hält weiterhin an. Demnach ist die Nachfrage an Wohnungen groß. Es wurde noch nie so viel gebaut wie derzeit. Dazu kommt, dass die Anzahl der Single-Haushalte sehr stark zunimmt. Eine weitere Entwicklung zur Erklärung des Defizits auf dem Markt ist die Zweckentfremdung von Wohnraum zu Büroflächen und der Leerstand von Wohnungen. Auch werden die Menschen immer älter und nutzen ihre Wohnung entsprechend länger. All diese Phänomene wirken zusammen und haben ein großes Ungleichgewicht auf dem Wohnungsmarkt zur Konsequenz. Ohne die hohen Einkommen in Luxemburg zu vergessen, denn dort, wo es hohe Gehälter gibt, sind die Immobilienpreise entsprechend hoch.

Nicolas Anen: Was kann nun die Regierung dagegen tun?

Marco Schank: Sie kann zum Beispiel den sozialen Wohnungsbau fördern. In diesem Bereich werden staatlicherseits große Anstrengungen unternommen. Auch die Gemeinden müssen mithelfen. Darum habe ich von April bis Mai zum zweiten Mal in meiner Amtszeit eine Tour durch die Gemeinden, in Form von vier regionalen Veranstaltungen, um auch sie mit ins Boot zu holen. Sehr viele Gemeindeväter und -mütter hatten schon im Vorfeld der Gemeindewahlen verdeutlicht, dass sie in der Wohnungsbaupolitik aktiver werden wollten. Man muss wissen, dass Wohnungsbau keine obligatorische Pflicht der Gemeinden ist. Nicht ein Wort steht darüber im Gemeindegesetz. Viele neu gewählte Schöffenräte haben auch erklärt, im sozialen Wohnungsbau aktiv werden zu wollen. Insgesamt möchte ich, dass die Gemeinden offensiver im Wohnungsbau und vor allem im subventionierten Mietwohnungsbau werden.

Nicolas Anen: Ist der Staat demnach auf die Gemeinden angewiesen?

Marco Schank: Auf jeden Fall. Als ich noch Bürgermeister war, hatte ich eine größere Planungshoheit als jetzt, da ich Minister bin. Und der Wunsch besteht auch bei vielen Gemeinden, nicht nur darüber nachzudenken, sondern auch zu handeln. Das hat man bei der Umsetzung der "Taxe spécifique" auf freistehende Wohnungen gemerkt. Die Möglichkeit, eine solche Taxe einzuführen, gibt es seit 2008, da sie im "Pacte logement"-Gesetz verankert ist. Die Gemeinde Beckerich war die erste, gefolgt von Esch/Alzette. Auch die Stadt Luxemburg denkt laut über die Einführung dieser Taxe nach.

Nicolas Anen: Seit dem "Pacte logement" haben Gemeinden auch ein Vorkaufsrecht auf verschiedene Grundstücke. Wird diese Möglichkeit von den Gemeinden genutzt?

Marco Schank: Noch nicht in dem Maße, in dem ich es mir vorstellen könnte. Deshalb habe ich bei meiner Tour durch die Gemeinden einmal mehr dafür geworben. Ich denke, es handelt sich hier um einen Prozess, der gewöhnungsbedürftig ist. Seit den Wahlen vom 9. Oktober kann man feststellen, dass sich immer mehr Gemeinden mit der Wohnungsbaupolitik beschäftigen wollen. Und dabei wird das Vorkaufsrecht zum wichtigen Instrumentarium. Ich denke, dass es nun insgesamt ein komplettes Angebot an Instrumenten zur aktiven kommunalen Wohnungsbaupolitik gibt. Es muss nur davon profitiert werden.

Nicolas Anen: Da es nicht scheint, als würde der Bevölkerungszuwachs in Zukunft stark abklingen, muss man davon ausgehen, dass die Preise nicht nachlassen werden?

Marco Schank: Von einem Nachgeben der Wohnungspreise kann man nicht ausgehen. Aber niemand hat eine Glaskugel, um vorauszusehen, wie es weitergehen wird. Wir sind da in gewissem Sinne Opfer - insofern man von Opfer sprechen kann - unseres ökonomischen Erfolgs der letzten Dekaden. Es ist eine logische Folge unseres Wachstums und unseres sozialen Netzes.

Nicolas Anen: Konnten schon manche der 21 Maßnahmen des "Paquet logement" umgesetzt werden?

Marco Schank: Eine Maßnahme ist die neue Wärmeschutzverordnung, die am 1. Juli in Kraft getreten ist. Auch die "subvention d'intérêt" wurde so abgeändert, dass jeder Bauherr, der die Bedingungen erfüllt, unabhängig bei welchem Bankinstitut er Kunde ist, in den Genuss dieser monatlichen Beihilfe kommt. Diese Bestimmung ist seit dem 1. Januar in Kraft. Dann gibt es noch Maßnahmen, die sich auf dem Instanzenweg befinden. Zum Beispiel die Einführung eines "Taux super-réduit" von drei Prozent bei Arbeiten zur energetischen Sanierung auch für Wohnungen, die weniger als 20 Jahre alt sind. Oder das "Amortissement fiscal accéléré" für Eigentümer, die eine energetische Sanierung ihrer Mietwohnung realisieren.

Nicolas Anen: Was sind die nächsten Maßnahmen, die vom "Paquet logement" zu erwarten sind?

Marco Schank: Das Wohnungsbeihilfegesetz von 1979 wird ganz überarbeitet werden. Diese Arbeiten sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Zum Beispiel wird das Prinzip der "Location-Vente" eingeführt werden. Und der "portage foncier", wobei zuerst die Wohnung gekauft und der entsprechende Kredit getilgt wird und dann erst das Grundstück. Eigentlich werden alle Maßnahmen aus dem "Paquet logement", die jetzt noch fehlen, in diesem Gesetz verankert. Da kann man schon fast von einem Paradigmenwechsel im Bereich Wohnungsbau sprechen. Vorher kommt auch noch der "Ecoprêt à taux zéro". Diese Maßnahme soll Familien mit geringem Einkommen helfen, energetische Sanierungsmaßnahmen an ihrem Eigenheim durchzuführen.

Nicolas Anen: Auch für den subventionierten Wohnungsbau sind Maßnahmen vorgesehen.

Marco Schank: Eine weitere Maßnahme, die mir wichtig ist und die schon vom Ministerrat angenommen wurde, sind die "Projets de grande envergure". Große Bauprojekte, zum größten Teil außerhalb der kommunalen Bebauungspläne, sollen realisiert werden können und zwar im Rahmen des "Plan sectoriel logement". Über das Vorverkaufsrecht, gekoppelt mit der "utilité publique", wird der Staat die Möglichkeit bekommen, sich große Entwicklungsgebiete zu sichern. 552 Hektar wurden dafür festgehalten. Das entspricht etwa 18.000 Wohnungen. Sodass, wenn alle Stricke reißen, wir die Möglichkeit haben, auf Grundstücke zurückzugreifen, um möglichst schnell Wohnungsbau zu gestalten. Von diesen 552 Hektar sind drei Fünftel außerhalb von PAGs. Es wurde natürlich überprüft, ob diese Gebiete den Anforderungen der kommunalen Entwicklungspolitik, den Zielen der Landesplanung und den Prämissen des Naturschutzes entsprechen.

Nicolas Anen: Bedeutet dies, dass der "Plan sectoriel logement" soweit abgeschlossen ist?

Marco Schank: Das Landesplanungsgesetz soll, verläuft alles nach Plan, Ende des Jahres von der Abgeordnetenkammer gestimmt werden. Dann können die vier "Plans sectoriels" in die Prozedur gehen. In einem Zeitrahmen von drei Monaten muss ein Gutachten von den betroffenen Gemeinden erstellt werden. Und dann kann die Regierung auch in diesen Bereichen aktiv werden.

Nicolas Anen: Vom Bausektor gibt es die Forderung, auch im sozialen Wohnungsbau tätig sein zu dürfen.

Marco Schank: Diese Forderung wird derzeit überprüft. Allerdings muss man da etwas vorsichtig sein. Anfang des Jahres hat der Sektor einen Vorschlag gemacht, aufgrund einer Abschlussarbeit, die von einem Studenten an der Uni durchgeführt wurde. Bei diesem Modell lagen die Mietpreise zwischen 650 und 850 Euro. Die Durchschnittsmiete beim "Fonds du logement" liegt jedoch nur bei 380 Euro, wobei die kleinste Miete bei 120-130 Euro liegt. Aber wir werden sicher etwas im neuen Gesetzestext vorsehen, um es auch privaten Bauträgern zu erlauben, im subventionierten Wohnungsbau tätig zu sein. Was diese übrigens schon seit 1978 für zu Verkaufszwecken bestimmte Sozialwohnungen dürfen. Doch bisher hat nur eine Firma davon Gebrauch gemacht. Ich denke, dass es nicht gewinnträchtig genug war, weshalb nicht mehr Interessenten in diesem Bereich tätig waren.

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