Interview von Henri Kox im Luxemburger Wort

"Auf Sparflamme"

Interview: Luxemburger Wort (Michèle Gantenbein)

Luxemburger Wort: Henri Kox, wie macht sich die Corona-Krise auf dem Immobilienmarkt bemerkbar?

Henri Kox: Der Immobilienmarkt fährt mit angezogener Handbremse, weil vieles zum Stillstand gekommen ist: Baustellen wurden geschlossen, Besichtigungen und Transaktionen gestoppt. Der Regierung war wichtig, die Arbeitnehmer mit der Kurzarbeit zu schützen und die Betriebe so gut wie möglich über Wasser zu halten. Das Auffangnetz ist sehr engmaschig gestrickt. So weit wir das beurteilen können, ist niemand in eine Wohnungsnotsituation geraten.

Luxemburger Wort: Wie hilft die Regierung Menschen, die wegen der Krise Probleme haben, ihre Miete zu zahlen?

Henri Kox: Wir haben die Mietsubvention, die eigentlich zum 1. Januar 2021 hätte angepasst werden sollen, jetzt schon angepasst. Ich gehe aber davon aus, dass viele Menschen nicht auf die Unterstützung zurückgreifen müssen, weil ihre Lohnfortzahlung sichergestellt ist. Unabhängig von ihrer Einkommenssituation wird der Betrag der Empfänger ab dem 1. April automatisch angepasst. Wir sehen aber, dass noch immer viele potenzielle Empfänger nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen. 2019 haben rund 5 600 Haushalte den Mietzuschuss erhalten. In Frage kommen unseren Berechnungen zufolge aber rund 35 000 Haushalte, also fast zwei Drittel der privaten Mieter in Luxemburg. Wir appellieren an die Menschen, sich telefonisch (8002-1010) oder per E-Mail (guichet@ml.etàt.lu) zu melden. Vor allem jene, die aufgrund von Einkommenseinbußen in Schwierigkeiten geraten, sollten die Möglichkeit nutzen.

Luxemburger Wort: Die Regierung hat veranlasst, dass Mieter während der Krise nicht vor die Tür gesetzt werden können, wenn sie ihre Miete nicht zahlen können. Wie werden Vermieter geschützt, die auf die Mieten angewiesen sind?

Henri Kox: Deutschland hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das es Vermietern verbietet, ihren Mietern zu kündigen, wenn diese wegen der Corona-Krise ihre Miete nicht zahlen können. Wir haben einen anderen Weg gewählt. Wir sorgen dafür, dass die Mieter ihre Miete weiterhin zahlen können, um zu vermeiden, dass das Problem vom Mieter auf den Vermieter verlagert wird. Darüber hinaus müssen wir Fälle einzeln betrachten. Der Fonds du logement beispielsweise vermietet Geschäftsflächen. Wenn nötig, wird die Miete für einen Monat oder zwei ausgesetzt. Unser Mietgesetz schützt Mieter und Vermieter. Da braucht es keine weiteren Instrumente, wobei beide wechselseitig Verständnis aufbringen und miteinander in Kontakt treten müssen. Wir haben keine Rückmeldungen, dass es diesbezüglich Probleme gegeben hätte.

Luxemburger Wort: Plant die Regierung noch weitere Hilfsmaßnahmen, falls sich die Situation zuspitzen sollte?

Henri Kox: Wir versuchen, alles im Auge zu haben und bei Bedarf nachzubessern, aber momentan scheint das nicht der Fall zu sein. Sollten Anpassungen notwendig sein, werden wir sie vornehmen.

Luxemburger Wort: Welche Rückmeldungen erhalten Sie über die Hotline? Was sind die Sorgen der Menschen das Wohnen betreffend?

Henri Kox: Manche Menschen sind verunsichert, besonders jene, die vor einem Wohnungswechsel standen, der jetzt nicht wie geplant stattfinden kann. In den meisten Fällen wird das sehr pragmatisch zwischen den einzelnen Parteien gelöst.

Luxemburger Wort: Halten Sie ein Gesetz für notwendig, das eine Mieterhöhung während der Krise verbietet?

Henri Kox: Nein. Schon heute ist es gesetzlich nicht möglich, die Miete einfach so zu erhöhen. Es gibt eine ganze Reihe von Kriterien, die bei der Festlegung beziehungsweise der Erhöhung der Mieten eingehalten werden müssen. Da sind Mieter im Prinzip ausreichend geschützt, aber wir werden das Mietgesetz verbessern, so wie es auch im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Wir wollen es transparenter machen und die Mietkommissionen stärken.

Luxemburger Wort: Wie wird sich die Krise auf den öffentlich finanzierten Wohnungsbau auswirken? Die Zahl der Wohnungen wird sich verringern, die Ziele werden nicht eingehalten werden können...

Henri Kox: Die Regierung hat alles daran gesetzt, die Kaufkraft zu erhalten, und muss das hohe Investitionsvolumen aufrechterhalten. Erst vergangene Woche haben wir eine Motion über die großen Infrastrukturprojekte verabschiedet und einen Spezialfonds auf den Weg gebracht, um den Bau von öffentlich finanzierten Wohnungen zu beschleunigen und Baulandreserven anzulegen. Die großen Projekte wie Elmen, Wiltz, Düdelingen und Echternach sind in den Startlöchern. Wir arbeiten intensiv am Pacte logement 2.0 und wir haben uns mit den privaten Bauträgern auf neue Konventionen geeinigt. All diese Projekte hängen momentan in der Warteschleife. Für mich ist klar, dass der Bau von erschwinglichem Wohnraum auch nach der Krise eine große Priorität sein und der Staat seine Verantwortung übernehmen muss.

Luxemburger Wort: Selbst wenn wieder gebaut wird, ist dann nicht damit zu rechnen, dass der Baustau andauern wird, zum einen, weil die Firmen überlastet sind und Versäumtes nachholen müssen, zum anderen, weil einige Firmen Bankrott sein werden und Aufträge neu vergeben werden müssen?

Henri Kox: Die Wirtschaft wurde arg gebeutelt. Es ist klar, dass die Wiederaufnahme der Aktivität nicht von heute auf morgen geschieht und dass die Wirtschaft nicht sofort wieder auf 100 ist. Das wird etappenweise vonstatten gehen und braucht seine Zeit. Wir müssen die Wiederaufnahme, so gut es geht, begleiten. Die Menschen in den Betrieben werden sich an Vorgaben halten müssen, schließlich ist das Virus immer noch da. Auch die Betriebe bereiten sich auf die Wiederaufnahme der Aktivität vor. Immerhin sind sie dafür verantwortlich, dass die Mitarbeiter sich nicht gegenseitig anstecken und müssen verhindern, dass von heute auf morgen die Hälfte der Belegschaft krankgeschrieben ist. Es wird eine langsame und sukzessive Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivität geben.

Luxemburger Wort: Deutschland hat die Baustellen und Baumärkte nicht geschlossen und es ist nicht zu einer unkontrollierten Infektionswelle gekommen. Es geht also auch anders. Luxemburg hätte es auch so machen können...

Henri Kox: Das Herunterfahren aller Aktivitäten auf Null war sehr wichtig. Wir haben ja im Grand Est gesehen, wie es zugeht, wenn die Infektionszahlen außer Kontrolle geraten. Gesundheitsministerin Paulette Lenert hat eindrücklich erklärt, dass es wichtig ist, unsere Krankenhauskapazitäten nicht zu überschreiten. Wir wissen nicht, ob wir im Falle einer Überlastung Patienten ins Ausland hätten bringen können. Anders als große Länder können wir unsere Patienten nicht regional verlagern, weil unser Land zu klein ist. Der Höhepunkt der Infektionszahlen wird für Ostern erwartet, danach müssen wir die richtigen Konsequenzen ziehen.

Luxemburger Wort: Trotzdem noch einmal die Frage: Hat Luxemburg in Bezug auf die Schließung von Baustellen und betrieblichen Aktivitäten nicht übers Ziel hinausgeschossen?

Henri Kox: Ich glaube nicht. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Noch einmal: Uns war wichtig, die Kapazitäten aufrechtzuerhalten. Es herrschte Ungewissheit in Bezug auf die Materiallieferungen. Zum Glück hat es am Ende dann doch geklappt und zum Glück haben wir die Cargolux. Die sehr strenge Vorgehensweise hat uns zu dem Ergebnis geführt, das wir jetzt haben: leicht rückläufige Infektionszahlen und ein funktionierendes Gesundheitssystem.

Luxemburger Wort: Ab wann können die Beschränkungen gelockert werden? Mitte April?

Henri Kox: Das kann ich nicht sagen. Das ist eine Entscheidung, die das Kabinett gemeinsam treffen muss.

Luxemburger Wort: Es ist damit zu rechnen, dass die Arbeitslosigkeit steigen wird und die Kaufkraft nicht in dem Umfang erhalten bleibt wie vor der Krise. Meinen Sie nicht, dass der Bedarf an erschwinglichen Wohnungen nach der Krise steigen, also auch der Druck auf den öffentlich finanzierten Wohnungsmarkt steigen wird?

Henri Kox: Das kann sein, und bedeutet, dass wir unsere Politik noch stärker vorantreiben müssen. Dazu brauchen wir auch die Gemeinden. Wir können keine Wunder vollbringen, aber wir können die Ärmel hochkrempeln und die Schaufel in die Hand nehmen. Ich hoffe, dass es uns nicht wie Deutschland oder Österreich ergeht, wo die Arbeitslosigkeit explodiert ist, oder noch schlimmer die USA. Ich gehe davon aus, dass es zu einer leichten Verschiebung, nicht aber zu einer massiven Arbeitslosigkeit wie in anderen Ländern kommen wird.

Luxemburger Wort: Wie läuft die Arbeit beim Fonds du logement während der Krise?

Henri Kox: Der Fonds ist natürlich vom Baustopp betroffen und die Ausschreibungen wurden zeitweise ausgesetzt, um Betriebe, die schließen mussten, anderen Betrieben gegenüber nicht zu benachteiligen. Alle anderen Aktivitäten laufen normal weiter, wie zum Beispiel die Betreuung und Begleitung der Mieter.

Luxemburger Wort: Wie sieht es mit den Baugenehmigungen und ganz allgemein mit Genehmigungsprozessen aus? Sind die auch ausgesetzt oder abgebremst?

Henri Kox: Baugenehmigungen, die in der Krisenzeit abgelaufen wären, werden automatisch um ein Jahr verlängert, damit kein administrativer Baustopp entsteht. Die Gemeinden arbeiten im Prinzip weiter, wenngleich etwas verlangsamt, so dass auch neue Baugenehmigungen ganz normal bearbeitet werden können. Das gilt im Übrigen auch für die Wohnungsbeihilfen. Die Anträge werden fortlaufend bearbeitet, damit es nicht zu einem Stau kommt. Meine Mitarbeiter arbeiten in unterschiedlichen Teams, damit im Falle einer Ansteckung nicht alle Mitarbeiter ausfallen.

Luxemburger Wort: Sie haben im Februar Ihre Strategie zur Gestion locative sociale vorgestellt. Befürchten Sie nicht, dass die privaten Eigentümer nach der Krise weniger bereit sind, ihre Wohnungen billig zu vermieten?

Henri Kox: Ich glaube nicht. Die Bereitschaft der Organisationen, erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, ist nach wie vor da. Aber natürlich kommt es zu zeitlichen Verzögerungen, weil Wohnungen nicht instandgesetzt und besichtigt werden konnten.

Luxemburger Wort: Wird die Regierung nach der Krise mehr Geld als ursprünglich geplant in die Hand nehmen, um den Bau voranzutreiben?

Henri Kox: Wenn ich das Geld bekomme, ja.

Luxemburger Wort: Wird das angesichts der krisenbedingten Mehrausgaben budgetär überhaupt möglich sein?

Henri Kox: Trotz Anleihe über drei Milliarden Euro wird unsere Verschuldungsrate weiter unter 30 Prozent bleiben. Unsere Finanzlage ist resilient und kann noch manches aushalten. Der Wohnungsbau Mus< nach der Krise eine Priorität sein.

Luxemburger Wort: Wie ist Ihre Einschätzung? Werden die Miet- und Verkaufspreise auf dem privaten Markt nach der Krise steigen oder eher fallen?

Henri Kox: Ich habe keine Glaskugel. Es ist sehr schwer, diesbezüglich Prognosen zu machen.

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